Der Jubel war groß, als Endeavor am 13. Juli zum Kennerspiel des Jahres gekürt wurde. Ein würdiger Preisträger? Ich habe das Spiel anlässlich der Verleihung nochmal aus dem Regal gezogen und gespielt.
Zugegeben, es ist schon ein paar Wochen her, dass ich Endeavor – Die Tiefsee das letzte Mal auf dem Tisch hatte und die Regeln sitzen nicht mehr ganz so sicher. Aber da hilft ein Blick in die wirklich gute Spielanleitung und ich bin schnell startklar. Für meine Solopartie habe ich eine Version des kooperativen Modus gespielt. Das ist nämlich auch schon die erste Besonderheit des Spiels: Es kann sowohl kooperativ als auch kompetitiv gespielt werden. In beiden Modi entscheiden wir uns vor dem Spielaufbau für eines von 10 Szenarien, die den Spielaufbau und die zu erreichenden Ziele vorgeben.
Titel: Endeavor – Die Tiefsee
Autor: Carl de Visser, Jarratt Gray
Illustration: Fahed Alrajil, Maruša Gray
Verlag: Burnt Island Games (Original), Frosted Games in Kooperation mit Board Game Circus (deutsche Version)
Erscheinungsjahr: 2024
Spieleranzahl: 1–4
Spieldauer: 60-90 Minuten
Altersempfehlung: ab 12 Jahren
Mechaniken: Tech Tree, Kettenzüge
Komplexität: mittel

Endeavor – kooperativ

Ich habe Szenario Nummer 4 gewählt und werde mich in meiner Partie viel mit Forschung beschäftigen. Zusätzlich zu den vier Zielen, die das Szenario vorgibt, decke ich noch in den ersten drei Runden weitere Bonusziele auf. Um zu gewinnen müssen die Spieler im kooperativen und im Solomodus mindestens vier der Ziele erfüllen, wobei die Bedingungen mit der Spielerzahl skalieren – clever.
Zu Beginn plätschert das Spiel gemächlich dahin: In jeder der insgesamt sieben Spielrunden wird zuerst eine Karte aufgedeckt. In den ersten drei Runden sind das Bonusziele und danach sind es Krisen, die uns das Leben etwas schwer machen sollen. Das gelingt je nach Spielverlauf mal mehr und mal weniger gut – manchmal sind die Karten richtig bitter und manchmal verpuffen sie völlig ohne Effekt. Das ist schade und meiner persönlichen Meinung nach sind die Krisenkarten unnötig, weil sie eben gar nicht ausbalanciert sind.
Danach rekrutieren wir ein neues Crewmitglied. Zu Beginn stehen uns nur einfache Crewmitglieder zur Verfügung, steigern wir allerdings im Spielverlauf unseren Ruf, möchten auch besser ausgebildete Spezialisten bei uns anheuern. Anschließend bekommen wir Aktionsscheiben und dürfen unsere Crew wieder reaktivieren. Die Anzahl hier hängt ebenfalls von unserem Fortschritt auf den Leisten ab.
Sind die Vorbereitungen der Runde abgeschlossen kommt das Herzstück des Spiels: die Spielaktionen. Jedes Crewmitglied kann mindestens eine von fünf verschiedenen Aktionen durchführen. Um eine Aktion durchzuführen, wird eine Aktionsscheibe auf dem Crewmitglied platziert. Einige Aktionen erfordern außerdem noch die Platzierung einer weiteren Aktionsscheibe auf einem der Ozeanplättchen. Die möglichen Aktionen sind:
- Bewegung
- Sonar
- Tauchen
- Forschung
- Publikation
Zu Beginn ist der Ozean noch unerforscht und sehr überschaubar. Unser Boot befindet sich auf dem Startplättchen und hat eine Sonaraktion ausgeführt, um den Ozean zu erweitern. Die einzelnen Aktionen sind schön verzahnt und bieten viele Boni, so dass es sich lohnt, verschiedenen Strategien auszuprobieren.

Durch die Aktionen schreiten die Spieler auf den Leisten auf ihren Tableaus voran und bekommen so von Runde zu Runde mehr Aktionsmöglichkeiten. Während die Runden am Anfang bereits nach zwei Zügen vorbei sind, sind die späteren Runden eher durch lange Kettenzüge und mächtige Einzelaktionen gekennzeichnet, was sich sehr belohnend anfühlt. Dennoch ist es im kooperativen Modus wichtig, sich gut abzusprechen, denn die Zielvorgaben sind knackig und können nur erreicht werden, wenn alle gut zusammenspielen und Aufgaben aufteilen. Auch solo ist es wichtig, sich genau zu überlegen, welche Ziele erreichbar sind und auf was man spielen möchte.


Ein bisschen schade ist es, dass im Solomodus das Spielfeld immer recht klein bleibt und man nur selten überhaupt die tieferen Schichten des Ozeans erreicht. Dennoch habe ich mich bisher bei allen Partien – sowohl kooperativ mit drei oder vier Spielern als auch solo – immer gut amüsiert. Besonders gut gefällt mir, wie das Spiel zum Ende hin positiv eskaliert. So schienen die Ziele bis zur vorletzten oder gar letzten Runde fast immer unerreichbar und in den letzten beiden Runden hat es dann doch noch geklappt und wir haben gewonnen. Das mag ich an Endeavor. Mit 10 Szenarien bietet das Spiel außerdem einen ordentlichen Umfang. Mein Fazit lautet daher: Endeavor ist ein würdiges Kennerspiel des Jahres!
✔ Stärken:
✅ einfacher Spieleinstieg, sehr gute Spielanleitung
✅ spannende Spielentwicklung, angenehme Eskalation
✅ fordernder Schwierigkeitsgrad
✅ abwechslungsreiches Spiel durch unterschiedliche Szenarien
✅ kooperativer und kompetitiver Modus in einem Spiel
❌ Schwächen:
⛔ Solomodus könnte besser sein
Gesamtbewertung (max. 5 Sterne):




Meinungen der anderen Astronauten
Jens
Endeavor – Kompetitiver Forscherdrang
Da Sarah das Spiel bisher noch nicht kompetitiv gespielt habe, möchte ich hierzu kurz ein paar
Worte verlieren. Für mich persönlich ist dies eben die präferierte Art, die Tiefsee zu erforschen.
So komplett grundlegend ändern sich die Spielmechaniken nicht. Nachdem wir uns für eines der bislang zehn verfügbaren Szenarien entschieden haben, versuchen wir in 6 Spielrunden die
meisten Siedepunkte zu erreichen. Jedes Szenario gibt uns hierfür drei einzigartige Ziele vor, für die es je nach Erfüllungsgrad unterschiedlich viele Punkte gibt. Außerdem können wir Punkte auf dem Einflussbereich der einzelnen Szenarien sammeln. Ergänzt werden diese Punkte dann durch Szenario unabhängige Punkte auf den Auftragskarten, thematisch Forschungsberichte genannt, durch den Fortschritt auf den vier Eigenschaftsleisten der Spielendentableaus, der individuellen Boni der Stufe-5-Crewmitglieder und den üblichen Punkten durch Umrechnung von Überschuss. Jede Runde rekrutieren wir genau ein Crew Mitglied, dass unsere Aktionsmöglichkeiten erweitert und/oder uns Fortschritte auf unseren Eigenschaftsleisten. Der Fortschritt auf den Leisten bringt dabei nicht nur Punkte, sondern gewährt mir Zugriff auf bessere Crewmitglieder, bringt mir mehr Aktionsscheiben zum aktivieren der Aktion und erhöht die Anzahl und die Reichweite meiner U-Boote.
Anschließend machen wir unsere Crew wieder einsatzbereit, indem wir zuvor eingesetzte
Aktionsscheiben entfernen. Darauf folgt die eigentliche Aktionsphase. Auch wenn wir hier um
verschiedene Felder wetteifern und am Ende jeder für sich Punkte sammelt, ist der Wettstreit bei Endeavor selten so hart, dass mich die Aktionswahl eines Mitspielenden matt setzen würde. Dafür ist das Ausmaß der Optionen zu groß und die Alternativen ebenfalls häufig interessant. Was jetzt zunächst danach klingt, dass es dann ja belanglos sei, welche Aktion ich wähle, da ja viele attraktiv sind, wird dann spätestens in der Schlussabrechnung widerlegt. Denn auch wenn
Endeavor so ein unglaublich belohnendes Spielgefühl entfaltet, wird am Ende derjenige von uns
gewinnen, der seine Aktionen am besten an das gewählte Szenario angepasst hat.
Genau dieser Umstand macht Endeavor zu einem so passenden Preisträger und zu einem so
guten Spiel. Jeder Mitspielende erlebt ein positives, belohnendes Spielgefühl an dessen Ende ein verdientes Resultat steht. Die Züge gehen meistens recht zügig von der Hand, so dass sich die Downtime in Grenzen hält. Die gemeinsame Erkundung des Spielfelds schafft selbst im
kompetitiven Spiel ein kooperatives Element.
Insgesamt bietet Endeavor sowohl spielerisch als auch optisch ein mehr als gelungenes Erlebnis. Die Spielmechanik ist thematisch sehr gut eingebunden, so dass sich selbst das typische Leistengeschubse eines Eurogames anhand des Themas erklären lässt. Das entdecken der Szenarien und der einzelnen Ozeanplättchen geben uns gerade in den ersten Partien das Gefühl, wirklich etwas zu entdecken. Auch wenn sich dies natürlich irgendwann etwas abnutzt, da man irgendwann alles gesehen hat, bietet dies einen echten Mehrwert gegenüber vielen anderen Eurogames. Fluch und Segen zugleich dürften die schier unbegrenzten Möglichkeiten sein, das Spiel zu erweitern. Die erste Erweiterung ist, wenig überraschend, bereits angekündigt und bestellbar.
Ich mochte bereits den Vorgänger Endeavor – Segelschiffära und werde zunächst auch beide
Spiele behalten. Ob man beide braucht? Eher nicht, aber beide haben ihren eigen Charme, wobei die Tiefsee thematisch und optisch viel moderner daherkommt und auch spielerisch ein paar Schwachstellen behoben hat.
Spielt Endeavor – Die Tiefsee, wenn ihr ein belohnendes Feel-Good-Kennerspiel sucht. Für mich
ein schönes Feierabendspiel, dass einen angenehmen Grad an Interaktion und Komplexität bietet. Hier fühlt ihr euch immer gefordert, aber nie überfordert und nach den sechs Spielrunden werdet ihr unabhängig vom Spielergebnis mit einem positiven Gefühl entlassen.
Spielt Endeavor nicht, wenn ihr ein hochkomplexes Eurogame erwartet, bei dem ihr euren
Mitspielenden zeigen wollt, wo der Hammer hängt und ihr sie mit eurer dominanten Spielweise in die Schranken weisen wollt. Selbst kompetitiv bietet euch Endeavor eher ein schönes
gemeinsames Spielerlebnis.

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