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„On Mars“ von Vital Lacerda

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen?

On Mars ist ein hochkomplexes Expertenspiel von Vital Lacerda, einem Designer, der für seine anspruchsvollen und mechanisch dichten Spiele bekannt ist. In diesem Spiel übernehmen die Spielenden die Rolle von Pionieren und Wissenschaftlern, die an der Kolonisierung des Mars arbeiten. Die Herausforderung liegt nicht nur in der Ressourcenverwaltung und Planung, sondern auch in der geschickten Interaktion mit den Mitspielern und der Dynamik des Koloniewachstums.
Die deutsche Version von Skellig Games überzeugt mit erstklassiger Materialqualität und einer herausragenden grafischen Gestaltung von Ian O’Toole, der für seine klaren und funktionalen Designs bekannt ist. Doch ist On Mars nur ein weiteres komplexes Eurogame oder doch ein echtes Meisterwerk?

Eckdaten zum Spiel

Titel: On Mars
Autor: Vital Lacerda
Illustration: Ian O’Toole
Verlag: Eagle-Gryphon Games (Original), Skellig Games (deutsche Version)
Erscheinungsjahr: 2020
Spieleranzahl: 1–4
Spieldauer: 120–180 Minuten
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Mechaniken: Worker Placement, Ressourcenmanagement, Technologieentwicklung
Komplexität: Sehr hoch

Spielmechaniken und Ablauf

Die Spielenden sind Mitglieder der ersten Mars-Expeditionen und haben die Aufgabe, aus einer provisorischen Außenpostenstruktur eine autarke Kolonie zu entwickeln. Dies geschieht in verschiedenen Phasen: Zu Beginn sind die Ressourcen begrenzt, Technologien müssen erst erforscht werden und der Mars ist eine lebensfeindliche Umgebung.
Die Spielenden stehen vor der zentralen Frage: Wie koordiniere ich meine begrenzten Aktionen optimal, um langfristig effizient zu sein? Dabei gliedern sich die Aktionsmöglichkeiten in zwei Hauptbereiche:

Das Spielbrett mit den Aktionsbereichen „Orbit“ am linken Rand und der „Oberfläche“ oben rechts. In der Mitte ist der Koloniebereich, hier nach ca. 1/3 der Partie.

Der Orbit (Raumstation)

Hier erhalten die Spieler neue Technologien, die sie später in der Kolonie anwenden können.
Es gibt Möglichkeiten, Blaupläne für Gebäude zu erwerben, die später in der Marskolonie als Verbesserung gebaut werden können.
Ressourcen können hier recht einfach über ein Lager erlangt werden.

Die Mars-Oberfläche (Kolonie)

Hier werden Gebäude und Gebäudekomplexe errichtet und verbessert, um die Infrastruktur aufzubauen.
Durch den Bau von Gebäuden entstehen Boni für alle Spieler, die langfristig für das Wachstum der Kolonie benötigt werden.
Wissenschaftler können angeheuert und für Nebenaktionen genutzt werden.
Spieler müssen darauf achten, dass die Kolonie mit Energie, Sauerstoff, Wasser und Nahrung versorgt wird.
Ein entscheidendes Element ist das Shuttle-System zwischen Orbit und Oberfläche. Die Spieler bewegen sich mit einem regelmäßigen Shuttle-Flug hin und her – allerdings nur zu bestimmten Zeitpunkten. Diese Bewegungen sind ein strategischer Knackpunkt: Wer zu früh oder zu spät wechselt, kann wertvolle Aktionen verpassen oder ineffizient agieren.

Spielgefühl und Herausforderung

On Mars ist definitiv kein Spiel für zwischendurch. Die Regeln sind ziemlich umfangreich und die ersten Partien können sehr herausfordernd, gar zäh sein. Es gibt viele Optionen und jede Entscheidung kann relevant sein. Idealerweise lernt man das Spiel mit der Unterstützung eines Mitspielenden, der das Spiel bereits beherrscht. Dadurch können nicht nur Spielfehler reduziert werden (glaubt mir, sie werden passieren), sondern auch der Spielfluss aufrecht erhalten bleiben. Ich und mein Mitspieler haben uns die Erstpartie selbst erarbeitet. Im Laufe der Partie wurde mein Wunsch in der tiefsten Marsmine zu schufften statt dieses Spiel beenden zu müssen immer größer. Mein Mitspieler war nach dem Ende des Spiels sicher, dieses Spiel nie wieder spielen zu wollen. Und nur um das einmal klar zu stellen, wir waren durchaus erfahrene Spieler. 
Zum Glück bin ich hier hartnäckig geblieben. Zu spannend das Thema, zu ansprechend die Optik und vor allem zu positiv die Meinungen. In der zweiten Partie lief es schon merklich runder, wohl auch, weil ich eben diesen erfahrenen Mitspielenden am Tisch hatte. Die dritte Partie war dann auch endlich die, in der ich mich auf das Spiel und nicht auf die Regeln konzentrieren konnte. Und „Bäääm“, ist das ein wahnsinnig stimmiges und spannendes Spielgefühl. Jeder Zug, jede Entscheidung ist relevant und wegweisend. Nicht nur der variable Spielaufbau beeinflusst meinen Weg, nein, jede meiner Entscheidungen, aber auch viele Entscheidungen der Mitspielenden, lenken mich in eine bestimmte Richtung. Dabei habe ich aber nie das Gefühl, dass ich nichts machen kann. Es gibt immer eine sinnvolle Alternative, so dass sich kein Zug verschwendet anfühlt.
Was das Spiel aber besonders reizvoll macht, ist die Tatsache, dass es ein hoch thematisches Wirtschaftsspiel ist, das sich wirklich nach der Kolonisierung des Mars anfühlt. Man merkt, wie die Kolonie wächst, wie Ressourcen knapper oder effizienter werden und wie sich die Spielwelt weiterentwickelt. So nutzen wir mit fortschreitender Spielzeit immer weniger die Aktionen im Orbit. Unsere Kolonie wächst und wird immer selbständiger, so dass wir mehr und mehr die Aktionen der Marsoberfläche wählen werden.
Obwohl On Mars kein direkter Konfliktmechanismus wie Kämpfe oder Sabotage enthält, gibt es eine ausgeprägte indirekte Interaktion:
Bestimmte Gebäude, Wissenschaftler oder Ressourcen sind begrenzt – wer schneller ist, kann sich Vorteile sichern.
Technologien, die ein Spieler entwickelt, können von allen genutzt werden – allerdings gegen Bezahlung.
Die Kolonie entwickelt sich gemeinsam weiter, sodass alle profitieren oder leiden, je nachdem, welche Entscheidungen getroffen werden.
Diese Form der Interaktion sorgt für ein hohes Maß an Planung und Strategie – man muss nicht nur das eigene Spiel optimieren, sondern auch die Pläne der anderen Spielenden antizipieren.

Das Spielerboard mit Lager am unteren Rand, Technologien in der Mitte, Arbeitskräften rechts und links den Raketen bzw. Nebenaktionen.

Material und Design

Die deutsche Version von On Mars wurde von Skellig Games produziert und überzeugt durch erstklassige Materialqualität. Das Spiel enthält:
Stabile doublelayer Spielertableaus mit Übersicht aller Nebenaktionen
Detailreiche Gebäude- und Rover-Miniaturen, die das Spiel haptisch aufwerten
Klar gestaltete Symbolik, die hilft, trotz der Komplexität den Überblick zu behalten
Karten und Spielpläne mit stimmungsvoller Grafik
Das Design von Ian O’Toole ist hervorragend. Trotz der Fülle an Informationen bleibt das Layout übersichtlich, und die Symbolik ist durchdacht. O’Toole schafft es, ein hochtechnisches, aber gleichzeitig atmosphärisches Design zu liefern, das das Thema unterstützt und die Lesbarkeit verbessert. Wer die Ikonografie einmal verinnerlicht hat, wird keine Fragen mehr haben.

Fazit: Ein Meisterwerk für Strategiefans

On Mars ist meiner Meinung nach eines der besten, aber auch komplexesten Eurogames auf dem Markt. Es vereint ein tiefgehendes, thematisch starkes Design mit hochgradig verzahnten Mechaniken. Wer bereit ist, sich in ein Spiel hineinzuarbeiten, wird mit einem Spielerlebnis belohnt, dass wirklich großartig ist. Wenn ihr das Spiel erklärt bekommt und durch die Erstpartie begleitet werdet, kann wahrscheinlich schon diese aufzeigen, was sich dann spätestens ab der dritten Partie einstellen wird, Spaß an der Arbeit! Schnell werdet ihr bei On Mars erkennen, was auch andere Spiele von Vital Lacerda kennzeichnet. Alles ergibt thematisch Sinn und ist somit auch thematisch erklär- und erlernbar. Keine Aktion ist kompliziert, aber das Zusammenspiel dieser ist sehr komplex.
Wer also Lust auf ein komplexes und absolut thematisches Heavyeuro hat, sollte die Arbeit auf sich nehmen, denn der Lohn ist es wert. Wer sich aber eher im Kennerspielbreich sieht und einfach mal ein neues Worker-Placement-Spiel sucht, der sollte sich vielleicht besser ein anderes Spiel ausgucken. Wer mit einer falschen Erwartungshaltung den Mars besucht, kann bitter enttäuscht werden. Auch Spielenden, die in die Spielewelt des Vital Lacerda eintauchen möchten, empfehle ich definitiv einen anderen Einstieg. Hier sind The Gallerist, Vinhos oder auch Kanban EV wahrscheinlich die sinnvollere Wahl.

Für mich ist On Mars schlichtweg ein Meisterwerk und ich bereue es nicht, dass ich die Mühen auf mich genommen habe, das Spiel zu erlernen. Ist es Lacerdas Opus Magnum? Hierzu kann ich nur ein klares „Jein“ als Antwort geben, denn leider, bzw. zum Glück, stammt das fantastische Lisboa auch aus seiner Feder. Für mich stehen diese beiden Spiele auf Augenhöhe an der Spitze der Heavyeuros.  

✔ Stärken:
✅ Extrem strategisch und anspruchsvoll
✅ Großartige Verzahnung der Mechaniken
✅ Starkes Thema mit hervorragender Immersion
✅ Hoher Wiederspielwert durch verschiedene Strategien
✅ Hochwertige Produktion und durchdachtes Design

❌ Schwächen:
⛔ Sehr hohe Einstiegshürde – nichts für Gelegenheitsspieler
⛔ Lange Spieldauer (120–180 Minuten)
⛔ Analyse-Paralyse möglich, da viele Optionen gleichzeitig offenstehen

Für wen ist On Mars also geeignet? Experten und Vielspieler, die komplexe Eurogames lieben und Freude an langfristiger Planung haben, werden hier ein Meisterwerk entdecken. Weniger erfahrene Spieler könnten jedoch durch die Komplexität überfordert werden.

Gesamtbewertung (max. 5 Sterne):

Ein absolutes Highlight für Lacerda-Fans und alle, die ein tiefgehendes, strategisch forderndes Eurogame suchen.

Meinungen der anderen Astronauten

Dominik

Hat man die Aktionen und Verknüpfungen einmal verstanden, findet man hier ein erstklassiges Spiel vor, welches durch seine Varianz und Möglichkeiten in jeder Partie sich anders spielt. Nachteil für mich ist jedoch bei jedem Lacerda der Preis. Hier würde ich auch auf etwas Qualität verzichten, wenn hierdurch der Preis spürbar geringer wäre.

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